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Musiktherapie und Autismus


Was ist Autismus?


Heute spricht man von einem Spektrum. Auch im neuen deutschsprachigem Diagnosemanual (ICD-11) wird vom Autismusspektrum (ASS) gesprochen. Innerhalb dieses Spektrums gibt es verschiedene Ausprägungen.


Beispielsweise lernen manche autistische Kinder und Erwachsene nicht oder nur sehr eingeschränkt zu sprechen und haben generell große Schwierigkeiten mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Oder sie zeigen Verhaltensweisen, die von außen nur schwer zu verstehen sind, wie beispielsweise das stundenlange Drehen von Rädern eines Spielzeugautos. Andere autistische Menschen können gut am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, haben aber oft Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, da sie beispielsweise Vieles wörtlich nehmen oder nicht bemerken was gerade „sozial erwartet“ wird. Auch die kognitiven Fähigkeiten können ganz unterschiedlich ausgeprägt sein und reichen von unterdurchschnittlich zu hochbegabt.


Oft spricht man im Zusammenhang mit Autismus von Neurodiversität. Der Ansatz der Neurodiversität soll verdeutlichen, dass alle Menschen unterschiedliche neurobiologische Voraussetzungen mitbringen und verschiedene Fähigkeiten und Merkmale unterschiedliche Ausprägungen annehmen können. Diese Denkweise soll helfen, Stigmatisierung und Pathologisierung von gewissen Bevölkerungsgruppen zu verhindern und Inklusion zu begünstigen.


Therapie


Behandlungsbedarf besteht immer dann, wenn Menschen stark in ihrer Entwicklung eingeschränkt sind oder durch Schwierigkeiten im Alltag ein Leidensdruck entsteht. Mittels der unterschiedlichen Therapieansätze kann beispielsweise daran gearbeitet werden, neue Verhaltensmuster zu erlernen oder Menschen in ihrer Art zu kommunizieren zu fördern (verbal, aber auch mit Bildkarten oder Gebärden). Je nach Entwicklungsstand und Ausprägung eignen sich unterschiedliche Therapiemethoden.


Welche musiktherapeutischen Ansätze gibt es?


Auch innerhalb der Musiktherapie gibt es verschiedene Ansätze in der Arbeit mit Menschen im Autismusspektrum. Neben verhaltenstherapeutischen Ansätzen sind vor allem entwicklungspsychologisch orientierte Strömungen zu nennen, die darauf abzielen, dem Kind gemäß seinem Entwicklungsstand zu begegnen und es in seiner sozioemotionalen Entwicklung zu fördern.

Bei sehr stark betroffenen Kindern geht es beispielsweise oft erst einmal darum, überhaupt einen Kontakt auf sehr basaler Ebene herzustellen. In der Musiktherapie kann das Kind erfahren, dass es in seinem So-Sein akzeptiert wird. Die Musiktherapeut:in versucht über die Interessen des Kindes eine möglichst freudvolle Interaktion zu gestalten. Musik eignet sich durch seinen hohen Aufforderungscharakter besonders um das Interesse von Kindern im ASS zu wecken oder stereotype und repetitive Handlungen musikalisch zu Begleiten. Oft werden Bewegungen der Kinder mit fein abgestimmten musikalischen Motiven begleitet, um sensorische Informationen auf verschiedenen Ebenen erfahrbar zu machen und Reize besser zu integrieren.

In der Musiktherapie kann an Fähigkeiten gearbeitet werden, die die Grundlage für Lernen und Entwicklung bilden. Dazu gehört beispielsweise das Lenken der Aufmerksamkeit auf eine gemeinsame Tätigkeit, wechselseitige Kommunikation oder die Fähigkeit zur Imitation. Zusätzlich spielt auch die emotionale Entwicklung eine große Rolle: Kinder können sich über das musiktherapeutische Angebot auf einer nonverbalen Ebene ausdrücken und erleben, dass sie selbst etwas bewirken können.


Forschung


Die Forschung zur Wirksamkeit der Musiktherapie im Bereich von ASS hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Ergebnisse der bisherigen Studien legen nahe, dass Menschen im ASS durch eine Verbesserung im Bereich der Kommunikation, der sozialen Fähigkeiten und der allgemeinen Lebensqualität von Musiktherapie profitieren können (vgl. Geretsegger et al. 2022; Sharda et al. 2018, Whipple 2004).





Quellen und weiterführende Links

Schumacher, K., Calvet, C., & Reimer, S. (2013). Das EBQ-Instrument und seine entwicklungspsychologischen Grundlagen. Mit DVD. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Studien (Auswahl)

Geretsegger, M., Fusar-Poli,L., Elefant, C., Mössler, K. A., Virale, G., Gold, C. (2022). Music therapy for autistic people. Cochraine Database of Systematic Reviews, doi:10.1002/14651858.CD004381.pub4

Sharda, M., Tuerk, C., Chowdhury, R. et al. (2018) Music improves social communication and auditory–motor connectivity in children with autism. Transl Psychiatry 8 (231). https://doi.org/10.1038/s41398-018-0287-3

Whipple J. (2004). Music in intervention for children and adolescents with autism: a meta-analysis. Journal of Music Therapy, 41(2), 90-106. doi: 10.1093/jmt/41.2.90. PMID: 15307805.

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